Unterlagen des Arbeitgebers heimlich fotografiert – Kündigung

Arbeitnehmern, die heimlich Unterlagen des Arbeitgebers fotografieren, riskieren ein Kündigung

Ein Artikel von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen, zum Urteil des Landesarbeitsgerichts München, Urteil vom 17. Dezember 2002 – 6 Sa 197/02 –, Rn. 18, juris.

Ausgangslage:

Für Arbeitnehmer, die von Vorgesetzten gemobbt oder sonstwie schikaniert werden, ergeben sich oftmals Beweisschwierigkeiten, weil entsprechende Unterhaltungen ohne Zeugen stattfinden. Eine Möglichkeit, sich trotzdem zu wehren, ist daher, solche Gespräche heimlich aufzunehmen. Dies birgt aber das Risiko, dass man daraufhin vom Arbeitgeber fristlos, jedenfalls aber ordentlich gekündigt wird.
Hintergrund: Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz schützt auch Rechtspositionen, die für die Entfaltung der Persönlichkeit notwendig sind. Dazu gehört in bestimmten Grenzen, ebenso wie das Recht am eigenen Bild, das Recht am gesprochenen Wort. Deshalb darf grundsätzlich jedermann selbst und allein bestimmen, wer sein Wort aufnehmen soll, sowie ob und vor wem seine auf einen Tonträger aufgenommene Stimme wieder abgespielt werden darf (BVerfG, Entscheidung vom 31. Januar 1973 – 2 BvR 454/71 –, BVerfGE 34, 238-251).
Missachtet der Arbeitnehmer diese Grundrechte seiner Vorgesetzten, kann dies einen schweren Pflichtenverstoß aus dem Arbeitsverhältnis darstellen, der wiederum eine drauf gestützte Kündigung begründen kann.

Fall:

Der Entscheidung lag ein Fall zu Grunde, wo ein Arbeitnehmer bei einem Vortrag des neuen Geschäftsführers diesen fotografiert hatte. Eigentlich ging es ihm aber um die vom Geschäftsführer präsentierten Charts, auf denen es um das Provisionssystem des Arbeitgebers ging. Der Kläger wollte wohl zur Sicherung seiner Ansprüche und zur späteren Begründung etwaiger Forderungen Beweismittel erlangen.

Urteil:

Das Landesarbeitsgericht sah die fristlose Kündigung für unwirksam, die hilfsweise erklärte Kündigung aber für wirksam an. Das Landesarbeitsgericht München: Fotografiert ein Arbeitnehmer ohne Genehmigung der Arbeitgeberin auf einer betrieblichen Tagung heimlich deren Geschäftsführer während eines Vortrages, einschließlich der von ihm dabei gezeigten und unter das Betriebsgeheimnis fallenden Schaubilder, so rechtfertigt dies die Kündigung ohne vorherige Abmahnung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses (Urteil vom 17. Dezember 2002 – 6 Sa 197/02 –).

Bewertung:

Ich halte das Ergebnis für nicht zwangsläufig. Fakt ist aber, dass das heimliche Herstellen von Bild- oder Tonaufnahmen unzulässig ist und auch einen erheblichen Pflichtenverstoß darstellen kann. Ob ein solcher Pflichtenverstoß dann die Kündigung rechtfertigen kann, hängt allerdings von den genauen Zusammenhängen ab. Wenn der Arbeitgeber selber Pflichtenverstöße begangen hat, muss dies bei der Gesamtabwägung mit berücksichtigt werden.
Das Bundesarbeitsgericht hat in neuerer Rechtsprechung die grundsätzliche Möglichkeit einer Kündigung wegen heimliche Mitschnitte noch einmal bestätigt: Der heimliche Mitschnitt eines Personalgesprächs ist “an sich” geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an (vgl. § 201 StGB). Maßgeblich ist die mit diesem Verhalten verbundene Verletzung der dem Arbeitnehmer nach § 241 Abs 2 BGB obliegenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers. Dieser hat seine Mitarbeiter bei der Ausübung ihrer Tätigkeit auch im Hinblick auf die Vertraulichkeit des Wortes zu schützen. Das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen darf – auch im Betrieb – nicht heimlich mitgeschnitten werden (BAG, Urteil vom 19. Juli 2012 – 2 AZR 989/11 –, BAGE 142, 351-365).

Fachanwaltstipp Arbeitnehmer:

Manchmal hat man nur die Wahl zwischen verschiedenen Übeln. Gleichwohl sollte man sich der Problematik unbedingt bewusst sein, um nicht am Ende statt zum Beispiel seine Ansprüche wegen Mobbings durchzusetzen, fristlos gekündigt auf der Straße zu sitzen.