Insolvenz des Weltbild-Verlages: Hinweise für betroffene Arbeitnehmer

Hier finden Sie wichtige Tipps von Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen, Alexander Bredereck, dazu, wie Arbeitnehmer mit der Situation umgehen können.

Der Weltbild-Verlag ist nach Thalia der zweitgrößte Buchhändler mit 6300 Mitarbeitern. Nun scheint es neben dem angeblichen Interesse von Bastei Lübbe (vgl. faz.net vom 18.1.2014) auch möglich zu sein, dass dem Partner Hugendubel das Filialgeschäft zufällt.
Konkrete Informationen darüber, wie es mit dem Konzern weitergeht, gibt es zum derzeitigen Zeitpunkt nicht. Folglich gebe ich im Folgenden Hinweise dazu, was Arbeitnehmer in solchen Situationen grundsätzlich zu beachten haben.

1. Trotz Insolvenz bestehen Arbeitsverhältnisse weiter

Für betroffene Arbeitnehmer ist zum ersten einmal wichtig, dass Arbeitsverträge mit der Insolvenz des Arbeitgebers nicht automatisch enden. Es besteht kein Handlungsbedarf, solange der Insolvenzverwalter nicht kündigt.

2. Kündigungen durch Insolvenzverwalter mit kürzerer Frist

Wenn der Insolvenzverwalter allerdings das Beschäftigungsverhältnis ordentlich kündigt, so kann er dies gemäß § 113 InsO mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende tun. Es besteht keine Möglichkeit für Arbeitnehmer sich auf die ansonsten gültigen Kündigungsfristen aus Gesetz, Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag zu berufen.

3. Kündigungsschutzgesetz muss vom Insolvenzverwalter beachtet werden

Soweit es anwendbar ist, muss der Insolvenzverwalter jedoch das Kündigungsschutzgesetz auch beachten. Nach dem KSchG benötigt er folglich einen Kündigungsgrund. Dieser wird in Form eines notwendigen dringenden betrieblichen Erfordernisses aber nur bei einer kompletten Stilllegung des Betriebes sicher gegeben sein. Es bestehen daher gute Möglichkeiten für den Arbeitnehmer, gegen die Kündigung vorzugehen.

Wenn wiederum nur ein Teil der Arbeitnehmer gekündigt, andere dagegen weiterbeschäftigt werden sollen, muss eine Sozialauswahl durchgeführt werden, bei der viele Fehler passieren können.

4. Kündigung durch Insolvenzverwalter – Kündigungsschutzklage einreichen

Sofern vom Insolvenzverwalter eine Kündigung erhalten wird, sollten betroffene Arbeitnehmer unbedingt beim zuständigen Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage (innerhalb von drei Wochen!) einreichen, um sich die Chance einer Abfindung zu bewahren.
Nur für den – hier wohl unwahrscheinlichen – Fall einer vollständigen Betriebsstillegung, wäre eine Überlegung hinsichtlich der Kündigungsschutzklage aus Kostengesichtspunkten anzustellen. Bei bestehender Rechtsschutzversicherung sollte stets Kündigungsschutzklage eingereicht werden.

5. Achtung bei Veräußerung des Betriebes

In diesem Fall gilt zunächst grundsätzlich das gleiche wie bei der Kündigung durch den Arbeitgeber selbst. Arbeitnehmern kann hier nur gekündigt werden, wenn sie für die Weiterführung des Betriebes nicht benötigt werden. Auch ist wiederum eine mit erheblichem Fehlerpotenzial behaftete Sozialauswahl durchzuführen.

Allerdings sollten Arbeitnehmer das Verfahren auch dann genau im Blick haben, wenn keine Kündigung geplant ist. Wenn nämlich ein Betrieb teilweise veräußert wird, ist damit meist ein Betriebsübergang verbunden. Hier ist genau zu prüfen, ob diesem möglicherweise widersprochen wird.

6. Widerspruch bei Betriebs(teil)übergang – genaue Prüfung

Ein Widerspruch gegen den Betriebsübergang kann dann strategisch sinnvoll sein, wenn die Beschäftigungsaussichten im übernehmenden Betrieb schlechter sind als im ursprünglichen Betrieb. Hier ist jedoch Vorsicht geboten! Bestehen im verbleibenden Betrieb überhaupt keine Beschäftigungsmöglichkeiten mehr und man widerspricht, ist das Risiko einer betriebsbedingten Kündigung sehr hoch.
Hier ist häufig eine sehr kurzfristige Entscheidung zu treffen, da Arbeitnehmer nach der (vollständigen) Unterrichtung über den Betriebsübergang nur einen Monat Zeit für diese haben. Zu diesem Zeitpunkt sind die Informationen oft nur unzureichend vorhanden, um eine überlegte Entscheidung treffen zu können. Manchmal kann eine Entscheidung zwar später noch korrigiert werden, wenn der Arbeitnehmer nicht vollständig unterrichtet wurde. Die Arbeitsgerichte stellen hier aber hohe Anforderungen.

7. Ansprüche auf Arbeitsentgelt

Hinsichtlich möglich Ansprüche auf Arbeitsentgelt muss zwischen Ansprüchen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, und solchen die erst danach entstanden sind, unterschieden werden.

Arbeitnehmer können für in den letzten drei Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Ansprüche Insolvenzgeld bei der Bundesagentur für Arbeit beantragen. Von diesem Insolvenzgeld wird die Differenz zwischen dem tatsächlich ausgezahlten und dem zu beanspruchenden Nettobetrag abgedeckt, nicht jedoch Arbeitnehmeransprüche aus einem Sozialplan.

Im Übrigen erfahren ausstehende Entgeltforderungen die gleiche Behandlung wie einfache Insolvenzforderungen und nehmen also an der üblichen Quote teil. Von diesen Forderungen wird in der Praxis meist nur ein kleiner Teil realisiert.

Praxistipp dazu: Arbeitnehmer sollten niemals einen längeren Zeitraum als drei Monate ohne Lohn arbeiten, ansonsten besteht das Risiko, bei Insolvenz des Arbeitgebers zumindest teilweise umsonst gearbeitet zu haben. Es besteht zudem die Möglichkeit zur Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts an der Arbeitsleistung, sprich zu Hause zu bleiben, wenn der Arbeitgeber längere Zeit nicht zahlt. In diesem Fall sollte aber zunächst rechtliche Beratung eingeholt werden. Ein unberechtigtes Fernbleiben von der Arbeit kann den Arbeitgeber zur (fristlosen) Kündigung berechtigten.
Arbeiten die Arbeitnehmer nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiter, sind die insoweit entstehenden Ansprüche vorrangig gegenüber den einfachen Insolvenzforderungen zu befriedigen.

8. Fazit

Zum derzeitigen Zeitpunkt gilt es auch für Arbeitnehmer des Weltbild-Verlages vor allem, Ruhe zu bewahren. Gehandelt werden muss jedenfalls in folgenden Situationen:

–    Sie erhalten eine Kündigung.
–    Sie erhalten nicht ihr vollständiges Arbeitsentgelt.
–    Sie erhalten eine Unterrichtung über einen Betriebsübergang.
–    Ihr Arbeitsverhältnis geht auf einen anderen Betrieb über.
–    Ihre Arbeitsbedingungen sollen sich ändern.

20.1.2014