Gekündigter Kirchenmusiker wird vorerst nicht wieder eingestellt

Wegen außerehelicher Beziehung gekündigter Kirchenmusiker wird nach neuem Urteil (zumindest vorerst) nicht wieder eingestellt

Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck Berlin und Essen zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf, Urteil vom 05. Juni 2014 – 11 Sa 1484/13.

Fall:

Neverending Story: Im Jahr 1998! war einem Kirchenmusiker von der katholischen Kirche gekündigt worden, weil dieser nach der Trennung von seiner Ehefrau aber vor der Scheidung ein außereheliches Verhältnis unterhalten habe. Ich hatte über diesen Fall unter der Rubrik „Arbeitsrecht des Mittelalters“ bereits des Öfteren berichtet.
Hier noch einmal die Zusammenfassung der Prozessgeschichte des Arbeitnehmers vor den deutschen Arbeitsgerichten, wie sie in der Pressemeldung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf wiedergegeben ist: Die Kündigungsschutzklage des Kirchenmusikers hatte vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf keinen Erfolg. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zum Bundesarbeitsgericht blieb im Jahr 2000 ebenso ohne Erfolg wie dessen Verfassungsbeschwerde im Jahr 2002. Auf die Individualbeschwerde des Klägers vom 11.01.2003 zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied dieser am 23.09.2010, dass die Beschwerde zulässig und dass Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzt ist. Art. 8 EMRK schützt das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Die vom Kläger angestrengte Wiederaufnahme des ursprünglichen Kündigungsschutzverfahrens blieb auch vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos. Mit Urteil vom 28.06.2012 sprach der EGMR dem Kläger eine Entschädigung von 40.000 Euro wegen Verletzung von Art. 8 EMRK zu.
Nun verlangt der Kläger bereits in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf die Wiedereinstellung.

Urteil:

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf kommt zwar zu dem Ergebnis, dass ein solcher Anspruch grundsätzlich bestehen könne, insbesondere komme ein Anspruch auf Wiedereinstellung bei einem rechtskräftig festgestellten Verstoß gegen die europäische Menschenrechtskonvention in Betracht. Im besonderen Fall sei aber die ebenfalls durch die europäische Menschenrechtskonvention unter Schutz gestellte Rechtssicherheit vorzugswürdig. Für eine Abwägung zu Gunsten der Rechtssicherheit spreche vor allen Dingen der lange Zeitablauf. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Weiter war zu berücksichtigen, dass der deutsche Gesetzgeber den Restitutionsgrund der Feststellung einer Verletzung der EMRK für das Verfahren des Klägers zeitlich nicht vorgesehen hatte. Hinzu kommt die weitere Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt, die vom Landesarbeitsgericht rechtskräftig abgewiesen und vom Kläger mit keinem weiteren Rechtsmittel angegriffen worden ist.

Bewertung:

Ich möchte an dieser Stelle meine grundsätzliche Kritik am deutschen Kirchenarbeitsrecht nicht wiederholen. Die Anwendung durch die Gerichte ist ebenfalls äußerst problematisch. Dazu verweise ich auf meine früheren Beiträge zu ähnlich gelagerten Fragestellungen. Nun aber dem hiesigen Arbeitnehmer, die Zeit und den Aufwand, den er brauchte, um zu seinem Recht zu kommen unter Verweis auf die notwendige Rechtssicherheit anzukreiden, erweckt den Eindruck, als ob hier auf Teufel komm raus an der eigenen Meinung festgehalten werden soll. Immerhin hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf die Revision zugelassen und damit dem Bundesarbeitsgericht die Möglichkeit eröffnet ein zukunftsweisendes Urteil zu sprechen. Ob die Möglichkeit genutzt wird?

Gesetzgeber:

Vom Gesetzgeber der großen Koalition darf hier wohl richtungsweisend nichts erwartet werden. Die Kirche verteidigt ihr besonderes „Arbeitsrecht“ immer wieder damit, dass sie andernfalls ihre sozialen Aufträge nicht mehr erfüllen könne. Das mag im Bereich der Vergütung irgendwie stimmen. Wenn aber langjährig Beschäftigten wie Musikern oder Ärzten unter Verweis auf den Verkündungsauftrag der Kirche wegen einer außerehelichen Beziehung wirksam gekündigt werden kann, ist dies in einem modernen Rechtsstaat nicht mehr hinzunehmen. Wenn man das dann noch vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof schriftlich bekommt, sollte man die eigene Position vielleicht noch einmal überdenken.

Quelle:

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 05.06.2014 – 11 Sa 1484/13
Arbeitsgericht Essen, Urteil vom 22.11.2013 – 5 Ca 2480/13