Kündigung wegen sexueller Belästigung

Bundesarbeitsgerichts-Entscheidung zu einer unwirksamen Kündigung wegen sexueller Belästigung

Ein Artikel von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen, zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. November 2014 – 2 AZR 651/13 –.

Ausgangslage:

Bei Straftaten, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen, droht dem Täter stets eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die begangene Straftat zum Nachteil des Arbeitgebers oder zum Nachteil von Kollegen geht. Eine Abmahnung ist in solchen Fällen regelmäßig nicht erforderlich. Der hier entschiedene Fall zeigt aber, dass auch Ausnahmen möglich sind.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts:

Das Bundesarbeitsgericht hat die Kündigung eines Arbeitnehmers wegen verbaler und körperlicher sexueller Belästigung einer Arbeitnehmerin für unwirksam gehalten: eine Abmahnung wäre im vorliegenden Fall ausreichend gewesen. Der Arbeitnehmer hatte der Mitarbeiterin eines externen Reinigungsunternehmens zunächst gesagt, dass diese einen „schönen Busen“ habe und diese dann an der Brust berührt. Die Arbeitnehmerin hatte sofort erklärt, dass sie dies nicht wünsche. Der Arbeitnehmer ließ von ihr ab. Im folgenden Personalgespräch räumte der Arbeitnehmer die Tat sofort ein, erklärte, dass ihm dies alles leid tue und es sich nicht wiederholen werde. Nach Erhalt der fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung entschuldigte sich der Arbeitnehmer außerdem schriftlich bei der belästigten Arbeitnehmerin und führte durch Zahlung eines Schmerzensgeldes einen Täter- Opfer- Ausgleich herbei. Dies reichte dem Bundesarbeitsgericht um unter Verweis auf die lange Dauer der Beschäftigung des Arbeitnehmers sowohl die fristlose, als auch die ordentliche Kündigung für im Einzelfall unwirksam zu halten. Der einmalige „Ausrutscher“ habe den für eine Kündigung erforderlichen Vertrauensverlust nicht bewirken können. Eine Abmahnung hätte gereicht.

Bewertung:

Bereits im Emmely-Urteil (Kündigung der Kaiserskassiererin wegen Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Pfandbons) hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass im Falle eines sehr lang andauernden und beanstandungsfrei verlaufenen Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmer quasi eine Art Vertrauensberg aufbaut, der unter Umständen auch nicht durch eine einmalige Straftat dergestalt abgebaut wird, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers unzumutbar wird. Diese Unzumutbarkeit ist aber Voraussetzung für eine Kündigung. Ergo reicht in solchen Fällen dann eine Abmahnung aus. Ich sehe den vorliegenden Fall in dieser Linie der Rechtsprechung. Auch hier hatte der Arbeitnehmer viele Jahre beanstandungsfrei gearbeitet. Er hat aber auch durch seine Nachtatverhalten (sofortiges Zugeben der Tat, Entschuldigung, Täter-Opfer-Ausgleich usw.) zu erkennen gegeben, dass er den Unrechtsgehalt seines Tuns einsieht. Dadurch lässt er ebenfalls erkennen, dass eine Wiederholungsgefahr nicht besteht.

Fachanwaltstipp für Arbeitnehmer:

In derartigen Fällen muss künftig noch genauer als bisher das weitere Vorgehen diskutiert werden. Da der Arbeitgeber die Beweislast für die Kündigungsgründe trägt, ist es regelmäßig für den beschuldigten Arbeitnehmer verlockend, die Vorwürfe zu bestreiten. Auch im oben geschilderten Fall hätte möglicherweise Aussage gegen Aussage gestanden. Man sieht aber auch, dass das Bundesarbeitsgericht hier das ehrliche Verhalten des Arbeitnehmers im Nachgang belohnt hat. Zudem muss man immer auch an die Möglichkeit einer Verdachtskündigung denken.