Fristlose Kündigung: Wirksamkeitsvoraussetzungen

Zur Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses: regelmäßig erst nach Abmahnung

Zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts, Urteil vom 24. März 2011 – 2 AZR 282/10 –, juris, ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen.

Nicht selten werden fristlose (und hilfsweise erklärte ordentliche) Kündigungen vor dem Arbeitsgericht für unwirksam gehalten, weil es an einer Abmahnung fehlt. Die Abmahnung ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur in Ausnahmefällen entbehrlich.

Dazu das Bundesarbeitsgericht: Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 24. März 2011 – 2 AZR 282/10 –, juris).

Grundsatz: Abmahnung erforderlich

Die Erforderlichkeit ist also die Regel. Kündigungen ohne vorherige Abmahnung werden daher von den Arbeitsgerichten immer „mit spitzen Fingern“ angefasst.

Entbehrlichkeit bei nicht zu erwartenden Änderungen des Verhaltens

Natürlich hat die Abmahnung keinen Selbstzweck. Wenn also eindeutig klar ist, dass der Arbeitnehmer so weitermachen wird, wie bisher, ist die Abmahnung entbehrlich. Doch wann ist die schon eindeutig klar? Selbst wenn der Arbeitnehmer ausdrücklich erklärt, er werde an dem beanstandeten Verhalten festhalten, stellt sich die Frage, ob er dies auch nach einer entsprechenden Abmahnung tun würde.

Entbehrlichkeit bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen

Immer wenn der Arbeitnehmer, bildlich gesprochen dem Arbeitgeber „an den Geldbeutel geht“, kommt eine Entbehrlichkeit der Abmahnung wegen einer besonders schwer wiegenden Pflichtverletzungen in Betracht. Alle vermögensrechtlichen Straftaten (Diebstahl, Betrug, Unterschlagung) gegenüber dem Arbeitgeber können grundsätzlich eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen. Streitig sind immer die Fälle, in denen es um besonders geringe Nachteile für den Arbeitgeber geht. So hat es in der Vergangenheit Kündigung wegen Stromdiebstahl gegeben, weil der Arbeitnehmer sein Handy im Betrieb aufgeladen hat. Auch wenn die Arbeitsgerichte hier gelegentlich Großzügigkeit walten lassen: Arbeitnehmer sollten in diesem Bereich besonders penibel sein. Stellen Sie sich einfach vor, Sie wären der Arbeitgeber. Würden Sie nicht auch glauben, dass jemand der Ihnen kleine Dinge stiehlt, sie belügt oder betrügt, dies möglicherweise auch in anderen Bereichen oder hinsichtlich wertvollere Dinge unternimmt?

Fachanwaltstipp Arbeitnehmer:

Arbeitnehmer sagen mir oft, dass sie sich bei ihrem eindeutig vertragswidrigen Vorgehen keiner Schuld bewusst gewesen seien. „Das haben doch alle so gemacht“, lautet eine häufige Entschuldigung. Das hilft Ihnen im Zweifel nichts. Zum einen kann das Verhalten der anderen oft nicht bewiesen werden und zum anderen wird Ihr eigenes Verhalten dadurch meistens nicht in einem anderen Licht erscheinen. Eine große Arglosigkeit beobachte ich gerade im Bereich des Arbeitszeitbetruges. Arbeitnehmer sind zwar im Betrieb anwesend, beschäftigen sich aber während der Arbeitszeit mit privaten Dingen. Die Folge ist, dass der Arbeitgeber die Arbeitsleistung bezahlt, ohne sie zu bekommen. Das führt zu einem Vermögensschaden beim Arbeitgeber, den der Arbeitnehmer durch eine vorsätzliche Tat verursacht hat. Hier liegt einer der seltenen Fälle vor, wo eine Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung wirksam sein kann. Auch der Diebstahl geringwertiger Gegenstände des Arbeitgebers, zum Beispiel das Mitnehmen von Büromaterial, kann eine solche fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen.